Mehr, schneller, günstiger und wer bleibt auf der Strecke?

Günstige Produktionsbedingungen, niedrige soziale Mindeststandards und geringe Umweltauflagen mögen für Firmen sehr lukrativ sein. Für Arbeiter*innen im globalen Süden bedeutet dies allerdings, dass sie 18 Stunden am Tag schuften und ihr Lohn nicht zum Leben ausreicht. Zudem leidet die einheimische Bevölkerung unter den Umweltschäden von Wasser, Luft oder Boden mehr als der Konzern, der sich nimmt, was er braucht. Eine beliebte Ausrede der Konzerne: Für die Verletzung von Sozial- und Umweltstandards seien ja nicht sie, sondern die Zulieferbetriebe und Zwischenhändler*innen verantwortlich.

Kernarbeitsnormen – oft nicht die Norm!

Als Kernarbeitsnormen werden acht Übereinkommen bezeichnet, die die vier Grundprinzipien der Internationalen Arbeitsorganisation (englisch: International Labour Organisation, kurz: ILO) ausgestalten. Das sind: Vereinigungsfreiheit und Recht auf Kollektivverhandlungen, Beseitigung der Zwangsarbeit, Abschaffung der Kinderarbeit und Verbot der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf. Diese Normen sind unmittelbar von den Menschenrechten abgeleitet und gelten damit als qualitative Sozialstandards, die für alle Länder Geltungsanspruch haben.

Das heißt allerdings noch nicht, dass sie automatisch auch eingehalten werden:

Es sind Fälle unter anderem in Indien und Bangladesch bekannt geworden, die erheblich gegen die Vereinigungsfreiheit verstoßen. So wurden Gewerkschaftler*innen seitens der Fabrikmanager*innen diskriminiert, eingeschüchtert, misshandelt, bedroht oder es wurden Massenentlassungen vollzogen. Ein weitere Indiz zur Missachtung stellt das Unwissen vieler Arbeiter*innen dar, dass Gewerkschaften oder Arbeitnehmer*innenausschüsse überhaupt existieren.

Explizite und implizite Zwangsarbeit gehört weiterhin in vielen Fabriken im globalen Süden zur gängigen Praxis. Explizit, da die Arbeiter*innen aufgrund der Einhaltung von Lieferfristen zu Überstunden gezwungen werden. Implizit, weil die niedrigen Löhne und drückenden Preise des Weltmarktes Überstunden zur Existenzsicherung erfordern. Zudem führen die erheblichen Überstunden zu erhöhten Gesundheitsrisiken. Den Arbeitnehmer*innen liegen oftmals keine rechtsverbindlichen und schriftlichen Arbeitsverträge vor, sodass sie nicht vor einer Kündigung aufgrund von arbeitsbedingten gesundheitlichen Schäden geschützt sind.

Kinderarbeit kommt in Textilfabriken kaum noch vor. Dennoch zeichnen sich einzelne Verstöße bei Mindestalter-Kontrollen ab. Allerdings ist die Situation der Kinderarbeit in einer anderen Station der Lieferkette, im Baumwollanbau, beunruhigend. 

Diskriminierungen in den Fabriken der Exportländer, wie Indien, Bangladesch, Kambodscha oder Pakistan betreffen insbesondere Arbeiterinnen. Frauen sind allein in Indien von 45 Millionen Beschäftigten zu 70 Prozent in der Bekleidungsindustrie vertreten (Stand 2019). Die Diskriminierungen äußern sich vor allem in den Bereichen der Entlohnung sowie der körperlichen und psychischen Unversehrtheit. Beispielsweise bekommen Frauen für die gleiche Arbeit zwischen 10 bis 48 Prozent weniger Lohn als die Männer ausgezahlt. Zudem sind die Arbeitsbedingungen von Frauen von sexuellen Belästigungen, Demütigungen bis hin zu sexuellen Nötigungen und Vergewaltigungen geprägt. Hierzu veröffentlichte FEMNET 2020 eine Studie mit 420 befragten Arbeiterinnen in Textilfabriken in Bangladesch. In dieser gaben 41,9 Prozent an, sexuell belästigt worden zu sein. Weiterhin bejahten 76 Prozent der Frauen, dass sie geschlechtsspezifische Gewalt am Arbeitsplatz erfahren haben. 

Es gibt Hoffnung!

Initiativen und Kampagnen setzen sich für die Überwachung und Durchsetzung der Arbeitsnormen und damit entgegen der Verletzung von Menschenrechten ein. Beispielsweise fordert die Initiative Lieferkettengesetz die Einhaltung von Menschenrechten sowie Umweltstandards entlang der gesamten Lieferkette und angemessene Sanktionen für die Verantwortlichen bei Verstößen. Ebenso setzt sich die Kampagne für Saubere Kleidung dafür ein, dass Unternehmen Verhaltensregeln unterschreiben und umsetzen, deren Mindeststandard die ILO-Kernarbeitsnormen sind.


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Quellen:

  • www.die-gdi.de, Publikation: Soziale und ökologische Herausforderungen in der globalen Textilwirtschaft (2019)
  • www.femnet.de, Baseline Studie- Kurzfassung: Gewalt an Frauen in der bangladeschischen Bekleidungsindustrie (2020)
  • www.femnet.de, Im Profil: Indiens Bekleidungsindustrie